Energiewende ohne Stromlücke
„Eine Strommangellage ist das grösste wirtschaftliche Risiko für die Schweiz.“ Diese Erkenntnis des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz stand im Mittelpunkt des Impulsreferates von Swissgrid-Experte Jörg Spicker anlässlich des Events der Liga Stromkunden im Haus der Wirtschaft in Pratteln. Spicker nannte die grössten Herausforderungen für die Versorgungssicherheit in den kommenden Jahren: Die Füllstände der Speicherseen für die Wasserkraftnutzung in der Schweiz werden kleiner, Ausfälle oder Abschaltungen von Kernkraftwerken sind bislang nicht nachhaltig ersetzt und die Stromimporte aus dem Ausland sind durch das fehlende Rahmen- oder Stromabkommen mit der EU gefährdet.
Gefährdung schon 2025
„Die operative Netzbetriebssicherheit und Versorgungssicherheit ohne Kooperation mit der EU wird spätestens 2025 gefährdet sein“, legte Spicker dar und forderte deshalb neben politischen Bemühungen, ein solches Abkommen dringlich voranzutreiben auch die Erhöhung von strategischen Reserven in der Schweiz und einen deutlichen Ausbau der inländischen Stromproduktion, denn die Anforderungen an den Verbrauch werden durch die zunehmende Elektrifizierung von Mobilität und Beheizung stetig wachsen, bis zu 40 Prozent, wie Experten voraussagen.
„Bezahlbarer Strom ist ein zentraler Faktor für die Standortattraktivität der Schweiz“, resümierte Christoph Buser, als Präsident der Liga Stromzahler Gastgeber des Anlasses im HDW. Gemeinsam mit den CEOs der drei regionalen Energieanbieter IWB, EBL und Primeo Energie forderte Buser deshalb eindringlich, dass die Planungs- und Bewilligungsverfahren für Elektrizitätsanlagen in der Schweiz markant vereinfacht und beschleunigt werden können. „Wir müssen technologieneutral Schwerpunkte setzen und private Initiativen ermöglichen und fördern“, so Buser.
Energieversorgung mit Priorität
Die hohen Hürden bekamen alle Podiumsteilnehmenden schon zu spüren. Spicker berichtete von Netzanlagen im Wallis, die 32 Jahre brauchten bis zur Realisierung. Auch Windkraft, Solarenergie und der Ausbau der Wasserkraft, etwa mit der Erhöhung von Staumauern, sieht sich immer wieder Einsprachen und Verzögerungen gegenüber. „Wir müssen die Energieversorgung im Vergleich zu Natur- und Heimatschutzinteressen neu einordnen“, fand Tobias Andrist, CEO der EBL. Cédric Christmann, Geschäftsführer von Primeo Energie, stellte für den geplanten Bau von Reserve-Gastkraftwerken in der Schweiz den Standort Muttenz in Aussicht. Und Claus Schmidt, CEO der IWB, schlug eine starke Initiative im Bereich Photovoltaik vor: „Damit können und müssen wir jetzt beginnen.“
Die Herausforderungen sind vielseitig – im Zentrum steht die Einsicht auf politischer Ebene, dass dringlicher Handlungsbedarf besteht und die Probleme von morgen heute schon angepackt werden müssen, um ungewünschte Entwicklungen zu verhindern.
Mehr Informationen zum Event finden Sie auch im Standpunkt der Wirtschaft: https://publikationen.kmu.org/standpunkt-540-13-mai-2022/66841386